Alexander Gawel

08. Februar 2022

FRM-Trends 2022: Vom Cost- zum Customer Experience Center

  • Auch in diesem Jahr möchten wir mit unserer Reihe „FRM-Trends 2022“  die wichtigsten Trends beleuchten, die das digitale Forderungsmanagement (FRM) bewegen. Dazu kommen unsere Expert*innen zu Wort – der heutige Text wurde von unserem Senior Sales Executive Alex verfasst. 

 

Vor nicht allzu langer Zeit blieb ich an einem Beitrag eines Kontaktes auf der Business Plattform LinkedIn hängen. Er beklagte sich darüber, dass der Kundenservice eines bekannten Versandhändlers zwar Spitze sei, das Bezahlen von Rechnungen aber dagegen eine Katastrophe. Gefrustet darüber, dass sein Konto nun temporär gesperrt sei, hatte er seinen Frust dann öffentlich gemacht. Die Customer Experience, die er bis dahin erfahren hat, war nicht gut und ich konnte seine Verärgerung nachvollziehen.

Customer Experience weiterdenken

… mein erster Gedanke: Customer Experience hört nicht mit dem Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung auf.  Sie muss weit darüber hinausgehen. Sie ist mehr als nur die Bereitstellung von komfortablen Prozessen und steht im direkten Zusammenhang mit dem Thema Kundenbindung.

Hierzu ein paar Zahlen: Nahezu jede*r dritte Kund*in (32 %) würde sich vom bislang bevorzugten Unternehmen abwenden, wenn eine schlechte Erfahrung gemacht wurde. Dies ergab eine PwC-Studie zur Customer Experience. Unternehmen verlieren dadurch zum einen loyale Kund*innen, die unter Umständen auch bereit waren, höhere Preise als beim Wettbewerber zu zahlen. Hinzu kommen zum anderen die Kosten für die Neuakquise, die je nach Branche laut einer Studie von FirstPageSage bis zu 600 Euro pro Kund*in betragen können. Viel Geld, das erst einmal wieder verdient werden muss. 

PwC-Studie (Experience is Everything: Here's how to get it right)

Wichtige Etappe in der Customer Journey

Forderungsmanagement und Kund*innenbindung sind kein Widerspruch – im Gegenteil! Die Zeiten, in denen das Forderungsmanagement als Cost-Center betrachtet wurde und einzig zum Ziel hatte, offene Forderungen von Kund*innen einzutreiben, sind vorbei.

Eine offene, überfällige Zahlung wird schnell zu einem unangenehmen Thema. Da ist eine wertschätzende Kommunikation ohne vorwurfsvollen oder anklagenden Ton wichtig und der einzig richtige Weg. Gepaart mit möglichst wenig “Forderungsmanagement-Jargon” wissen die Kund*innen schnell, welches Anliegen das Unternehmen aktuell hat. Kommunikation stellt auf der anderen Seite aber auch sicher, dass sich die Kund*innen verstanden fühlen. Schließlich sind Kund*innenbeziehungen vielfältig und individuell – der One-Size-fits-All-Ansatz hat ausgedient.

Was viele außer acht lassen: machen Sie den Kund*innen die Zahlung so einfach wie möglich. Denn am Ende des Erinnerungs-Prozesses hat das Unternehmen idealerweise nicht nur seine Forderung erhalten, sondern Kund*innen durch eine passende Customer Experience noch enger an das Unternehmen gebunden. 

Das Mahn-Paradoxon: stärkere Kund*innenbindung trotz Mahnprozess

In Anlehnung an das Beschwerde-Paradoxon, nennen wir bei collectAI das Phänomen von zufriedeneren Kund*innen nach dem Mahnprozess, Mahn-Paradoxon (siehe Grafik).

Ein kleiner Exkurs: Kund*innen, die eine Mahnung bekommen, sind im Schnitt zunächst unzufriedener als alle anderen Kund*innen. Kund*innen, die dann in einem einfachen und schnellen, digitalen Prozess die offene Forderung zahlen und damit das Problem aus der Welt schaffen können, sind letztlich zufriedener als der Durchschnitt.

Klar sollte sein: Kund*innen sind nicht mehr nur eine Zahl im Rechnungswesen. Hinter jeder Forderung steht ein Mensch mit individuellen Bedürfnissen. Das stelle ich in den Gesprächen mit Unternehmen aus verschiedensten Branchen immer wieder fest. Während  in der Vergangenheit oftmals nur Vertrieb und Marketing mit dem Begriff Customer Experience etwas anfangen konnten, so ist es heute eines der treibenden Themen – welch ein Glück – in den allermeisten Abteilungen vieler Unternehmen.

Dennoch bleibt weiterhin festzustellen, dass sich die Erkenntnis, Costumer Experience in allen Bereichen zu integrieren, mal mehr und mal weniger schnell durchsetzt; da ist noch viel Luft nach oben! Wer im heutigen Wettbewerbsumfeld bestehen möchte, muss sich dem Thema vollumfänglich widmen. Und dazu gehört es auch, die wenigen, aber außerordentlich wichtigen Touchpoints mit den Kund*innen im Forderungsmanagement zu nutzen. Denn: der Grad zwischen der Kund*innenbindung oder -verlustes ist schmal.